Ein Bild von Indien. Indiens Steinwunder

Aus deutscher Sicht ist Indien seit Beginn des 19. Jahrhunderts ein entfernter, aber wichtiger Bezugspunkt, ein Sehnsuchtsort.   Die völkerkundlichen Sammlungen der deutschen Museen mit ihren enormen  Beständen zu Süd- und Südostasien spiegeln dieses Interesse an der indischen Kultur wider. Das Ziel, sie wissenschaftlich zu erfassen, zu erklären und einem lokalen Publikum zugänglich zu machen, verfolgten auch die ethnografischen Lehrfilme des frühen 20. Jahrhunderts. Ein solcher Film, der neu digitalisierte Kurzdokumentarfilm Indiens steinerne Wunder (1934) aus dem Bundesarchiv in Berlin, ist der Ausgangspunkt für eine Diskussion über die visuelle Aneignung und den Umgang mit indischem Kulturerbe.


Der Film begleitet den Regisseur und Autor Heinz Karl Heiland auf seiner letzten Reise nach Indien, wie der Vorspann ankündigt. Heiland, der als Autor von Reiseliteratur und Lehrfilmen bekannt war, wird als Protagonist einer didaktischen Expedition und als Kenner der altindischen Tempelarchitektur und ihrer „Formensprache“ u.a. in Teilen Südindiens vorgestellt. Aus postkolonialerwpml_nbsicht fällt die doppelte Verengung der Kamera auf: Einerseits wird sie von der autoritären Forschungspersönlichkeit dazu angeleitet, den Blick auf ein altes, historisch fernes Indien zu richten. Andererseits werden die von Heiland auf seinen Filmrollen festgehaltenen Tempelanlagen doppelt gerahmt und erklärt, sowohl durch die Gesten des Filmemachers als auch mit Hilfe einer kommentierenden Off-Stimme. Trotz dieser restriktiven Perspektive finden sich aber auch Spuren jener zeitgenössischen Infrastruktur, die das Filmen überhaupt erst möglich gemacht hat: das Auto des Produktionsteams vor Ort, die anonymen lokalen Träger der Ausrüstung oder Passanten und Anwohner, die in die Erzählung der malerischen Ruinen hineingezogen werden.     


Welches Bild von Indien wurde erzeugt und welches Wissen sollte dem Wochenschau-Publikum vermittelt werden? Auf welche Weise stellt der Film eine Verbindung zwischen der Lebenswirklichkeit in Indien und Deutschland her? Sagt das Bild, das im Rahmen solcher Formate von Indien gezeichnet wurde, etwas über das deutsche Selbstverständnis und den weltpolitischen Machtanspruch der 1930er Jahre aus? Wie gehen wir heute mit dem schwierigen Erbe um?    


Im Anschluss an die Filmvorführung werden die Gäste den Film aus der Perspektive ihrer jeweiligen Forschungsgebiete diskutieren und mit dem Publikum ins Gespräch kommen. 

Datum: 6. Mai 2022
Zeit: 18.00 – 19.30 (CET)
Wo: Babylon Kino, Berlin